Das CHE nimmt Stellung zur Landarztgesetz-Durchführungsverordnung des Landes Baden-Württemberg.
Im Februar 2021 wurde in Baden-Württemberg das Landarztgesetz verabschiedet. Es sieht vor, dass per Vorabquote jährlich 75 Medizin-Studienplätze an Bewerber*innen vergeben werden, die sich im Gegenzug verpflichten, im Anschluss an ihr Studium eine entsprechende Weiterbildung zu durchlaufen und dann für zehn Jahre als Landärztin oder Landarzt in einer unterversorgten Region des Landes tätig zu sein. Halten sie diese Zusage nicht ein, werden Strafzahlungen bis 250.000 Euro fällig.
Da bereits im April 2021 der Start der Bewerbungsphase zum Wintersemester 2021/22 eingeplant ist, klärt das Ministerium für Soziales und Integration (gemeinsam mit dem Wissenschafts-, Innen- und dem Finanzministerium) derzeit durch eine Rechtsverordnung Details der Umsetzung und trifft Regelungen zum Auswahlverfahren.
Auf Bitten des Sozialministeriums hat das CHE eine Stellungnahme zum Referentenentwurf der Rechtsverordnung abgegeben. Das CHE teilt das mit dem Landarztgesetz verfolgte Ziel der „Unterstützung der Sicherstellung der hausärztlichen Versorgung in unterversorgten und von Unterversorgung bedrohten Gebieten in Baden-Württemberg“. Es hat jedoch erhebliche Bedenken zum gewählten Lösungsansatz.
Cort-Denis Hachmeister, Experte für Hochschulzugang im CHE: „Es stellen sich immer noch grundlegende Fragen. Die wichtigste lautet: Ist eine Landarztquote, die am Hochschulzugang ansetzt, wirklich zielführender als ein Anreiz- und Fördermodell, das nach einem erfolgreichen Medizinstudium ansetzt und zum Beispiel Praxiseröffnungen unterstützt, Weiterbildung fördert und eine höhere Vergütung in unterversorgten Gebieten gewährt?“
Aus Sicht des CHE ist es zudem fragwürdig, von Studienanfänger*innen in jungen Jahren eine so weitreichende Festlegung abzuverlangen, die sie auf über zwei Jahrzehnte (6,5 Jahre Studium, 5 Jahre Weiterbildung, 10 Jahre Berufsausübung) regional, beruflich und finanziell bindet, und ihnen im Gegenzug „nur“ einen Studienplatz anzubieten.
Ulrich Müller, Leiter politische Analysen im CHE: „Das Risiko und die Zusatzkosten liegen allein beim Verpflichteten, das Land muss nicht einmal zusätzliche Studienplätze anbieten, sondern nur einen Teil der vorhandenen Plätze zu Landarzt-Plätzen umwidmen. Ein fairer Deal sieht anders aus.“
Das CHE empfiehlt, bei einem Festhalten an der Landarztquote diese auf geeignete Studieninteressierte zu fokussieren, also jungen Menschen, die bei den sonst verwendeten Auswahlkriterien wenig Chancen haben, eine Zulassungs- und Berufschance zu bieten.
Ulrich Müller: „Worst Case wäre es, wenn Studieninteressierte sich auf eine entsprechende Verpflichtungserklärung einlassen, obwohl sie auch im Standardverfahren der Studienplatzvergabe sehr gute Chancen auf einen Studienplatz in Humanmedizin gehabt hätten.“
Das Auswahlverfahren im Zuge der Landarztquote soll dazu dienen, einerseits den Studienerfolg und andererseits die Motivation und Qualifikation für die spätere Tätigkeit in der hausärztlichen Versorgung abzuschätzen – durchaus anspruchsvolle Aufgaben. Das CHE hält daher eine begleitende Evaluation, ob über die Landarztquote tatsächlich andere Bewerber*innengruppen angesprochen und ausgewählt werden, die sonst nicht zum Zuge gekommen wären, für unentbehrlich.
Cort-Denis Hachmeister: „Die Auswahlkriterien und -verfahren müssen laufend auf ihre Objektivität, Sachangemessenheit und prognostische Validität hin überprüft werden. Dann besteht im Bedarfsfall eine Chance zur Nachsteuerung der Kriterien. Dies gilt insbesondere für mögliche Verzerrungen bei den Entscheidungen der Auswahlkommission, die auf persönlicher Einschätzung beruhen.“
Eine Landarztquote existiert in mehreren Bundesländern, eine entsprechende Übersicht findet sich auf hochschulstart.de.