Sigrun Nickel und Anna-Lena Thiele beschäftigen sich in der letzten Folge des CHE Wahlprogramm-Checks mit dem Thema Weiterbildung an Hochschulen.
Alle weiteren Folgen des Wahlprogramm-Checks zu den Themen Third Mission, Durchlässigkeit zwischen beruflicher und akademischer Bildung, digitale Hochschulbildung und Hochschulfinanzierung sind online unter den jeweiligen Links abrufbar.
Die Herausforderungen
Das Angebot von Weiterbildungen gehört neben Forschung sowie Lehre und Studium zu den Kernaufgaben von Hochschulen. Allerdings nimmt dieses aufgrund der Ausrichtung auf das lebenslange Lernen sowie spezifischer rechtlicher und wirtschaftlicher Rahmenbedingungen eine Sonderrolle ein. Beispielsweise müssen sich die flexibel aufgebauten Studiengänge und Zertifikatskurse, welche sich in erster Linie an Berufstätige richten, komplett durch Einnahmen finanzieren und sind daher gebührenpflichtig. Das gilt auch für staatliche Hochschulen, an denen das Studium normalerweise kostenfrei ist. Für die Durchführung hochschulischer Weiterbildungsangebote dürfen nach EU-Recht keine öffentlichen Gelder verwendet werden. Im Hinblick auf die Öffnung für alternative Bildungsbiografien im Rahmen des lebenslangen Lernens und aus Sicht der Teilnehmenden ist dies schwierig nachzuvollziehen und stellt eine Zugangshürde dar. Unter anderem aus diesem Grund ist der Anteil der hochschulischen Weiterbildung im Lehrangebot deutscher Hochschulen und damit auch die Zahl der Teilnehmenden nach wie vor relativ gering. Eine weitere Ursache für die noch immer zögerliche Verankerung hochschulischer Weiterbildung im Hochschulbereich besteht darin, dass Hochschullehrende ihre primäre Aufgabe darin sehen, in den traditionellen Bachelor- und Masterstudiengängen zu unterrichten. Für das zusätzliche Engagement in der hochschulischen Weiterbildung fehlen geeignete Anreize.
Die Lösungsansätze in den Parteiprogrammen
Außer der AfD gehen alle derzeit im Bundestag vertretenen Parteien in ihren Wahlprogrammen auf das Thema hochschulische Weiterbildung im Rahmen des lebenslangen Lernens ein.
So möchte die CDU einen Schwerpunkt auf diesen Bereich legen mit dem Ziel, dass jeder das passende Angebot schnell finden und sicher nutzen kann. Aufgebaut werden soll eine nationale Bildungsplattform, welche im ersten Schritt mit 150 Millionen Euro gefördert werden soll. Mit der Fördersumme soll die Entwicklung von Prototypen, Curricula und didaktischen Konzepten finanziert werden. Zur Stärkung der hochschulischen Weiterbildung bedarf es laut der CDU aber auch besonderen politischen Anstrengungen und Maßnahmen. Hinsichtlich der Finanzierung des weiteren Ausbaus wird jedoch angegeben, dass die Zuständigkeit der Hochschulpolitik bei den Ländern liegt. Weiterhin sind laut der CDU die Hochschulen gefordert, wenn es um die weitere Modularisierung von Weiterbildungsstudiengängen und Zertifikatslehrgängen geht.
Auch die SPD, die Grünen und die Linke lenken ihr Augenmerk auf Weiterbildung. Dabei geht es insbesondere um das Recht auf Weiterbildung unabhängig vom Alter und Lebensverlauf. Die Linke konkretisiert, dass an den Hochschulen neue Möglichkeiten geschaffen und sie gesetzlich verpflichtet und in die Lage versetzt werden sollen, Angebote der beruflichen Fortbildung zu schaffen, die allen Beschäftigten unabhängig vom bisherigen Bildungsabschluss offenstehen. Finanziert werden soll der Ausbau der hochschulischen Weiterbildung durch eine ausreichende Grundfinanzierung der Hochschulen. Die FDP möchte, dass jeder Mensch sein Potenzial ein Leben lang ausschöpfen kann. Daher sollen sich Hochschulen stärker für die hochschulische Weiterbildung und für Lehrangebote jenseits des Erststudiums öffnen. Im fairen Wettbewerb mit den Angeboten privater Hochschulen sollen rechtliche und finanzielle Voraussetzungen geschaffen werden, um Hochschulen zu Bildungseinrichtungen für das ganze Leben weiterzuentwickeln. Die Grünen geben an, dass sie es ausdrücklich begrüßen, wenn die Hochschulen entsprechende Angebote entwickeln und die für die Finanzierung der Hochschulen zuständigen Länder diese Entwicklungen fördern.
Hinsichtlich der Finanzierung der Weiterbildung für die Teilnehmenden haben alle Parteien konkrete Vorschläge. Diese beziehen sich auf die Weiterbildung allgemein und nicht nur auf die hochschulische Weiterbildung. Die CDU will u. a. das Bundesprogramm Bildungsprämie weiter ausbauen, die SPD möchte Bildungszeiten finanziell fördern und Lohneinbußen kompensieren, die Grünen und die Linken planen ein Weiterbildungsgeld und die FDP will ein persönliches Freiraumkonto einführen, welches das steuer- und abgabefreie Ansparen für Weiterbildungsangebote und Bildungsauszeiten ermöglicht.
Position des CHE
Seit Beginn der 2000er Jahre steht die Förderung hochschulischer Weiterbildung auf der bundespolitischen Agenda, doch die grundsätzlichen Probleme haben sich kaum verändert. Die Tatsache, dass hier ein Profit-Bereich im überwiegend non-profit ausgerichteten Hochschulsektor geschaffen wurde, führt weiterhin zu Reibungen und Stagnationen. Bund und Länder müssen hier gemeinsam nach geeigneten Lösungen suchen. Da reicht es nicht, wie es die CDU und die Grünen explizit tun, primär auf den Bildungsföderalismus zu verweisen und die Länder in die Pflicht zu nehmen. Der Bund besitzt eine Verantwortung für das Bildungssystem in Deutschland insgesamt und sollte auch im Hochschulbereich gestaltend mitwirken. Die Länder sind vor allem gefordert, im Dialog mit den Hochschulen Möglichkeiten für eine verbesserte staatliche und hochschulinterne Steuerung zu schaffen. Auch der Vorschlag der Linken, durch eine Verbesserung Grundfinanzierung die hochschulische Weiterbildung zu fördern ist unzureichend, da die staatlichen Mittel nicht für diesen Bereich genutzt werden dürfen.
Doch bei allem bestehenden Verbesserungsbedarf gibt es in jüngerer Vergangenheit auch einige bemerkenswerte Erfolge zu verzeichnen. So wurden z. B. von 2011 bis 2020 im Rahmen des Bund-Länder-Wettbewerbs „Aufstieg durch Bildung: offene Hochschulen“ insgesamt 77 Projekte von Hochschulen und Hochschulverbünden im Bundesgebiet gefördert. Deren Hauptaufgabe bestand in der Entwicklung und Implementierung innovativer wissenschaftlicher Weiterbildungsangebote, um somit die Durchlässigkeit zwischen beruflicher und akademischer Bildung zu erhöhen sowie u. a. auch die wirtschaftlich dringend benötigte Fachkräftequalifizierung wirkungsvoll zu unterstützen. Im Rahmen des Bund-Länder-Wettbewerbs „Aufstieg durch Bildung: offene Hochschulen“ wurden nicht nur 376 Studiengänge auf Bachelor- und Masterniveau sowie Zertifikatsprogramme und -kurse im Bereich der wissenschaftlichen Weiterbildung in den Regelbetrieb der Hochschulen überführt – viele davon haben auch nach Förderende noch Bestand. Darüber hinaus wurde durch begleitende Forschungsaktivitäten zu diesem Themenkomplex auch umfangreiches Wissen generiert und publiziert.
Daran sollte angeknüpft und geprüft werden, ob und welche weiteren Bund-Länder-Förderprogramme die Weiterentwicklung der wissenschaftlichen Weiterbildung in der kommenden Legislaturperiode unterstützen können. Ein wichtiges Themenfeld ist dabei der Boom an Kurzformaten in Form von Zertifikatskursen und -programmen. Hier stellt sich eine Reihe von praktischen Umsetzungsfragen in den Hochschulen. Es gilt aber auch zu prüfen, ob die vorliegenden gesetzlichen Rahmenbedingungen ausreichen, um Hochschulen und Weiterbildungsteilnehmenden eine sichere Grundlage für das Absolvieren solcher Kurzformate zu geben.
Fazit
Positiv ist, dass der hochschulischen Weiterbildung von allen im Bundestag vertretenen Parteien, mit Ausnahme der AfD, eine gewisse Aufmerksamkeit geschenkt wird. Daran lässt sich erkennen, dass das Thema in den zurückliegenden Jahren an bundespolitischer Bedeutung gewonnen hat. Noch zu Beginn der 2000er Jahre fristete dieser Bereich eher ein Nischendasein. Dennoch existieren nach wie vor eine Reihe von Grundproblemen, die einer effektiven Weiterentwicklung dieses Sektors im Wege stehen. Etliche davon können nur von Bund und Ländern gemeinsam gelöst werden. Dafür sind entsprechende Initiativen erforderlich. Zentrale Themen sind hier insbesondere die Anpassung rechtlicher und finanzieller Rahmenbedingungen, eine bedarfsgerechte Ausgestaltung der (Studien-)Angebote sowie die Entwicklung strategischer Ansätze und Anreize im Rahmen der staatlichen und hochschulinternen Steuerung. Besondere Herausforderungen stellen sich auch mit Blick auf den Boom kürzer Weiterbildungsformate.
Eine ausführliche Analyse aller Wahlprogramme zu vielen weiteren Themen der Hochschulpolitik sowie zum Schwerpunkt Digitalisierung findet sich im Blog des Hochschulforums Digitalisierung.