Die Zahl der Pflegebedürftigen in Deutschland wächst seit Jahren. Damit steigt auch die Quote der Studierenden, die an der Pflege von Eltern, Großeltern oder Partner*innen beteiligt sind. Expert*innen schätzen ihren Anteil auf fünf bis zehn Prozent. Zum heutigen Europäischen Tag der pflegenden Angehörigen veröffentlicht das CHE Centrum für Hochschulentwicklung gemeinsam mit dem Verein Familie in der Hochschule e.V. eine Info-Broschüre zum Thema „Studium mit Pflegeverantwortung“.
Expert*innen, etwa aus dem bundesweiten Verein Familie in der Hochschule e.V., gehen davon aus, dass an jedem Seminar einer Hochschule im Schnitt ein bis zwei Studierende mit Pflegeverantwortung teilnehmen. Die oft zeitintensive und psychisch wie physisch belastende Pflegetätigkeit verlangt diesen viel ab. Die Folgen für das Studium können von verpassten Seminarfristen bis hin zum Studienabbruch reichen.
Ein aktueller Ratgeber aus der Reihe „CHE kurz + kompakt“ beantwortet nun die wichtigsten Fragen zu Unterstützungsangeboten für pflegende Studierende. Dies kann je nach Hochschule und persönlicher Situation eine Befreiung von Anwesenheitspflichten, längere Fristen für Seminararbeiten, eigene individuelle Studienpläne oder die Gewährung von Urlaubssemestern bedeuten. Auch Studierende, die nicht hauptverantwortlich für die Pflege von Angehörigen sind, können sich um diese Entlastung bemühen.
Voraussetzung ist, dass man über einen längeren Zeitraum informelle Pflege leistet. Dies bedeutet, dass man Tätigkeiten im Haushalt übernimmt, die eine Person aus Alters- oder Krankheitsgründen nicht mehr erledigen kann, also auch Putzen, Einkaufen oder die Kommunikation mit Krankenkassen. Ein Pflegegrad erleichtert die Anerkennung als Pflegegende*r, aber die erforderlichen Kriterien und Nachweise für eine Pflegetätigkeit sind an den Hochschulen ganz unterschiedlich.
Claudia Batisweiler vom Familienservice der Universität Oldenburg rät Studierenden, sich rechtzeitig um eine solche Entlastung zu kümmern: „Die Kombination aus Studium und Pflege geht für eine gewisse Zeit oft noch gut. Damit aber langfristig nicht die eigene Gesundheit und das Studium leiden, sollte man sich rechtzeitig um Unterstützung kümmern – auch wenn das Thema Pflege leider noch oft ein Tabu-Thema ist“, erläutert sie. Erste Anlaufstellen für Betroffene auf dem Campus seien in der Regel Familienbüros, psychosoziale Beratungsstellen und Studienberatungen.
Gilt man offiziell als pflegende*r Angehörige*r, hat man oft auch die Möglichkeit, sich für einen bestimmten Zeitraum beurlauben zu lassen, ähnlich wie beim Mutterschutz oder der Elternzeit. Beurlaubte Studierende erhalten kein BAföG, können aber einen Antrag auf Arbeitslosengeld II und andere Sozialleistungen stellen.
Weitere Hürden im Studienalltag seien laut Expert*innen des Vereins Familie in der Hochschule e.V. die oft starren Studienstrukturen, fehlende Teilzeitangebote oder Probleme der Studienfinanzierung bei längerer Studiendauer. „Es ist nicht nachvollziehbar, dass pflegende Angehörige in vielen Fällen ab einem Pflegegrad 2 Anspruch auf Unterstützungsleistungen haben, das BAföG aber erst verlängert werden kann, wenn Studierenden eine Person mit Pflegegrad 3 betreuen“, fordert Sarah Wenz, Sprecherin im Vorstand Familie in der Hochschule e.V., eine entsprechende Anpassung der aktuellen BAföG-Regelungen.
Belastbare Zahlen zu Studierenden mit Pflegeverantwortung in Deutschland gibt es aktuell nicht. Der Anteil informell Pflegender, die etwa Tätigkeiten im Haushalt übernehmen, die eine Person aus Alters- oder Krankheitsgründen nicht mehr erledigen kann, im Alter von 18 bis 24 liegt bundesweit bei fünf Prozent. Eine Befragung an der HAW Hamburg 2017 ergab einen Anteil von 15 Prozent Studierenden mit Pflegetätigkeit.
„Darüber, dass Studierende mit Kindern flexible Studienangebote und Unterstützung brauchen, herrscht in Deutschland zum Glück weitgehend Einigkeit. Das Thema Familienfreundlichkeit endet aber nicht mit der Kinderbetreuung“, sagt Frank Ziegele. „Damit es auch für das Thema Pflege verlässliche Regelungen und Angebote auf dem Campus gibt, brauchen wir über Studien und Befragungen noch mehr Transparenz über die Gruppe der Studierenden mit Pflegeverantwortung sowie ihre Bedürfnisse und Hemmnisse im Studienalltag“, so der CHE Geschäftsführer.
Über die Publikation:
In der Reihe „CHE kurz + kompakt“ gibt es auf insgesamt sechs Seiten jeweils Antworten auf die wichtigsten Fragen zum Thema. Eine kommentierte Linkliste und Checklisten für nächste Schritte und weitere Recherchen runden das Infopaket im pdf-Format ab. Autor*innen der Publikation „CHE kurz + kompakt – Studieren und Angehörige pflegen“ sind Claudia Batisweiler und Jan Thiemann. Es handelt sich um eine Kooperation des CHE Centrum für Hochschulentwicklung mit dem Verein Familie in der Hochschule e.V.