In einem kurzen Interview berichtet Sascha Spoun, Präsident der Leuphana Universität Lüneburg, über die Third Mission-Aktivitäten seiner Hochschule.
Welche Erfolge und Herausforderungen haben Sie in den letzten Jahren bei der Implementierung der Third Mission erlebt, und was waren die wichtigsten Meilensteine?
Sascha Spoun: Ein erster Meilenstein war das EU-Großprojekt „Innovations-Inkubator“ im Zeitraum 2009-2015. Dessen Ziel war, regionale Entwicklung durch wissensbasierte Innovationen mit Strukturen zu fördern, die eine Verzahnung von Wirtschaft und Wissenschaft unterstützen und Spitzenkräfte in die Region holen. Es war neu in Europa, dass eine Hochschule in diesem Umfang Verantwortung übernommen hat. Das Konzept wäre heute als Innovationsökosystem bekannt, aber damals verstanden es nur wenige. Wir haben zu dem Zeitpunkt Kompetenztandems mit nationalen und internationalen Wissenschaftler:innen, Unternehmen und Organisationen gebildet. Die Überzeugung dahinter war immer, dass man hochattraktiv sein muss, damit echte Talente in die Region kommen und weitere (junge) Talente anziehen.
Ein weiterer Meilenstein war 2009 die Gründung unserer Professional School, um eine differenzierte Bildungslandschaft für lebenslanges Lernen an der Hochschule zu schaffen. Die Leuphana ist heute führend z. B. bei der Reform der Ausbildung der Wirtschaftsprüfer. Für das Studienfach Jura haben wir ähnliche Schritte unternommen und innovieren damit auch stark regulierte Bereiche. Viele dieser Entwicklungen werden von der grundständigen Lehre dann auch in den Weiterbildungsbereich weitergeführt.
Ein dritter Meilenstein war die Auszeichnung und Förderung als „Innovative Hochschule“ des BMBF-Förderprogramms im Jahr 2022, in der wir Innovationsökosysteme in Form von vier verschiedenen Innovation Communities entwickeln und Impact erzielen wollen.
Ein großer Erfolg war auch der Aufbau einer attraktiven Infrastruktur auf unserem offenen Campus, die Unternehmen und andere externe Akteure einlädt, mit uns zusammenzuarbeiten. Dabei haben wir viele traditionelle Grenzen überschritten. Während es in Metropolen einfacher ist, Kooperationen zu initiieren, erfordert der Standort „in der Provinz“ wie in Lüneburg zusätzliche Anstrengungen, um attraktiv zu bleiben. Aber wir haben uns auf Themen wie Nachhaltigkeit, Unternehmertum, Digitale Kulturen und empirische Bildungsforschung spezialisiert und sind damit in Deutschland führend.
Sie sehen also, unsere Gesamtidee ist es, attraktiv für Menschen und Talente zu sein, die etwas verändern wollen. Dass wir da unseren Weg gehen, ist Erfolg und Herausforderung zugleich.
Wie sehen Sie die Rolle der Third Mission in der zukünftigen Entwicklung der Universität?
Sascha Spoun: Die Third Mission spielt eine immer wichtigere Rolle. Wenn wir uns die erfolgreichen Universitäten der Welt ansehen – wie die ETH Zürich oder Stanford –, dann geht es dort immer auch um Fragen des gesellschaftlichen Impacts. Sie bieten mehr an als Grundlagenforschung und klassische Lehrveranstaltungen. Zwar wird heute an technischen Hochschulen bereits beispielsweise stark auf Start-ups und „Einhörner“ gesehen, aber eine Third Mission geht weiter. Wir müssen auch Wirkungen in Bereichen, wie in den Schulen oder zur Demokratieförderung berücksichtigen. Gesellschaftliche Wirkungen dürfen nicht vergessen werden im Kleinen und den hochschulbürokratischen Details, z.B. bei der leistungsbezogenen Mittelzuweisung an Universitäten.
Entscheidend sind aber die Inhalte. Bereits vor 15 Jahren haben wir auf Nachhaltigkeit gesetzt und 2009 begonnen, uns auf digitale Kulturen zu fokussieren. Damals haben wenige mit diesen Themen gerechnet. Heute sind sie erkannt als von immenser Bedeutung. Hochschulen brauchen Freiheit, um solche Themen frühzeitig entwickeln zu können. Die Idee der „Community“ ist bei all diesen Fragen zentral – sie entsteht aus transdisziplinärer Zusammenarbeit auf Augenhöhe, die für die Bearbeitung dieser Themen essenziell ist.
Das geht alles aber nur durch leistungsfähige Strukturen. Die Leuphana ist mit Blick auf ihre Größe und Ressourcen an der unteren Schwelle dessen, was eine Universität braucht, um wettbewerbsfähig zu sein. Viele neue Regulierungen und Anforderungen erfordern enormen Aufwand, den jede Hochschule egal wie groß oder wie klein sie ist, leisten muss. Daher muss selbst eine so zentrale Aufgabe wie Third Mission immer gut abgewogen werden.
Können Sie abschließend ein Beispiel für erfolgreichen Transfer an der Leuphana nennen? Worauf sind Sie besonders stolz, oder was möchten Sie besonders herausstellen?
Sascha Spoun: Uns geht es nicht nur um die Förderung und den Erfolg des einen Unicorns, sondern auch darum, gesellschaftsorientierte und kulturelle Projekte zu unterstützen. Ein Beispiel ist unsere Zusammenarbeit mit dem Städel Museum in Frankfurt zur Entwicklung einer virtuellen Museumswelt und mit einem Kreativ-Tandem eines der ersten MOOC (Massive Open Online Course). Mit dem vom BMBF geförderten Promotionskolleg „Promovieren in Museen“ konnten die typischen Probleme künftiger Attraktivität der Museen aufgrund entsprechender Forschung angegangen und gelöst werden. Aktuell bauen wir über das Programm Innovative Hochschule u.a. eine Innovation Community für Kunst und Kultur mit nationalen und internationalen Partnern auf, um systematisch den Fragen der Transformationsprozesse in Kunst- und Kulturbetrieben nachzugehen.