Seit geraumer Zeit ist in der wissenschaftlichen Weiterbildung ein Trend zu kürzeren Zertifikatskursen und -programmen zu beobachten. Bislang fehlten allerdings bundesweite Daten, die genauere Aussagen zum Umfang solcher Kurzformate in den Angebotsportfolios hochschulischer Weiterbildungseinrichtungen und zu möglichen Verdrängungseffekten gegenüber berufsbegleitenden Studiengängen erlauben. Diese Lücke füllt nun eine Studie, welche das CHE im Rahmen der wissenschaftlichen Begleitung des Bund-Länder-Wettbewerbs „Aufstieg durch Bildung: offene Hochschulen“ publiziert hat. Dabei zeigt sich, dass Kurzformate inzwischen rund Dreiviertel des Angebotsportfolios hochschulischer Weiterbildungseinrichtungen in Deutschland ausmachen.
Wesentliche Gründe für den Boom kürzerer wissenschaftlicher Weiterbildungsformate sind vor allem Zeit- und Kostenersparnis, so ein Ergebnis der Studie. Statt sich für einen mehrsemestrigen Studiengang einzuschreiben und damit längerfristige Verpflichtungen einzugehen, können sich die in der Regel berufstätigen Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit Hilfe der überschaubaren Angebote gezielt fortbilden. Dies gilt insbesondere für Personen, die bereits einen Hochschulabschluss besitzen und keinen weiteren Bachelor- oder Mastertitel für ihr berufliches Fortkommen brauchen.
Die Untersuchung konzentriert sich auf vier Typen von Kurzformaten, welche in der wissenschaftlichen Weiterbildung in jüngerer Zeit merklich an Bedeutung gewonnen haben:
- Zertifikatskurs: Ein Modul auf Bachelor- oder Masterniveau, das mit einem Zertifikat der durchführenden Hochschule abschließt.
- Zertifikatsprogramm: Einheit aus mehreren auf einander abgestimmten Modulen, die mit einem Zertifikat der durchführenden Hochschule abschließt.
- Certificate of Advanced Studies (CAS): Fortbildungsangebot nach schweizerischem Vorbild mit einer Dauer bis zu einem Jahr, das mit einem Zertifikat der durchführenden Hochschule abschließt.
- Diploma of Advanced Studies (DAS): Vertiefte Fortbildung nach schweizerischem Vorbild mit einer Dauer von ein bis drei Jahren, die mit einem Zertifikat der durchführenden Hochschule abschließt.
Im Ergebnis zeigt sich, dass Kurzformate inzwischen rund Dreiviertel des Angebotsportfolios hochschulischer Weiterbildungseinrichtungen ausmachen. Der Anteil berufsbegleitender Studiengänge liegt bei 23,3 Prozent (siehe Abbildung). Die größte Gruppe bilden mit 47 Prozent Zertifikatskurse, gefolgt von Zertifikatsprogrammen mit rund 21 Prozent. Die noch relativen neuen und vor allem an süddeutschen Hochschulen verbreiteten Kurzformate nach schweizerischem Vorbild schlagen zahlenmäßig noch nicht so zu Buche und liegen bei 5,5 Prozent (CAS) und 3,3 Prozent (DAS).
Zugleich machen die Befunde aber auch deutlich, dass die Kurzformate häufig in Weiterbildungsstudiengänge integriert sind. Die meisten berufsbegleitenden Studiengänge sind inzwischen als „Baukastensysteme“ aufgebaut, aus deren Einzelelementen sich Interessierte ein individuelles Menü zusammenstellen können. Dadurch entsteht ein hohes Maß an Flexibilität: Teilnehmende können bedarfsorientiert entscheiden, ob sie nur einzelne Zertifikatskurse oder doch einen kompletten Studiengang belegen möchten. Weiterbildungsstudiengänge und Kurzformate erweisen sich somit vielfach als komplementäre Angebotsformen, die eine den zunehmend vielfältigeren Zielgruppen und dynamischeren Qualifikationsanforderungen entsprechende Flexibilisierung der wissenschaftlichen Weiterbildung in Deutschland ermöglichen.
Die Daten stammen aus mehreren zeitlich versetzten Erhebungen, so dass an einigen Stellen auch Entwicklungsverläufe über einige Jahre hinweg sichtbar werden. Befragt wurden Projektleitungen und -koordinationen im Rahmen des Bund-Länder-Wettwettbewerbs „Aufstieg durch Bildung: offene Hochschulen“, zu deren Hauptaufgaben die Entwicklung innovativer wissenschaftlicher Weiterbildungsangebote zählt, sowie Leitungen hochschulischer Weiterbildungseinrichtungen im Bundesgebiet und Verantwortliche für weiterbildende Studiengänge an deutschen Hochschulen. Vertiefte Detailanalysen zu Kreditpunkten, Studienniveau, Zielgruppen und fachlicher Ausrichtung bieten einen mehrdimensionalen Vergleich zwischen verschiedenen Typen von Kurzformaten und berufsbegleitenden Studiengängen.
Das CHE ist seit 2016 gemeinsam mit der FernUniversität Hagen, der Universität Oldenburg und der TU Dortmund Mitglied in der wissenschaftlichen Begleitung des Bund-Länder-Wettbewerbs „Aufstieg durch Bildung: offene Hochschulen“ und verantwortet dort das Forschungsfeld „Heterogenität der Zielgruppen“. Nähere Informationen auf der Webseite der wissenschaftlichen Begleitung unter https://de.offene-hochschulen.de/start/start